Die Streißenbergers brennen für den Basketball: Während Sohn Ian als großes Talent gilt, lässt Vater Silvio seine Karriere in der Bezirksliga ausklingen. Das Spiel, das beide so lieben, hat sich über die Jahre verändert, manches aber ist gleich geblieben. Die Geschichte eines ganz besonderen Vater-Sohn-Gespanns.
27 Jahre und zwei Zentimeter trennen Silvio von Ian Streißenberger. Mit seinen 1,76 Metern überragt der Vater den Sohn zwar nicht überragend, einen weitaus größeren Erfahrungsschatz, den ein oder anderen flotten Spruch hat er dem Filius aber voraus. “Ich habe mit 13 angefangen, Basketball zu spielen”, erinnert sich Streißenberger Senior. 1984 war das. Bei einer neu gegründeten Basketballabteilung in Magdeburg startete der flinke Spielmacher seine Laufbahn – und blieb hängen. Die Anfänge? “Wie das zu DDR-Zeiten so war”, erzählt er, “Turnschuhe mit ein bisschen Gummi, knöchelhoch, aus der Tschechei. Ein Gummiball in der Mitte und schon konnte es losgehen.”
Basketball damals war anders als Basketball heute. Streißenberger Junior glänzte beim All Star Game in ultramodernen, auffalend blauen Nike-Tretern. Die Geschichte dieses Vater-Sohn-Duos ist auch Ausdruck dessen, wie sich das Spiel, das beide so sehr lieben, über die Jahre verändert hat.
“Wie ein Pitbull-Terrier”
“Die Bälle waren anders, die Klamotten waren anders”, meint Silvio Streißenberger. Und: “Langsamer, früher war das Spiel viel langsamer. Außerdem waren die technischen Fähigkeiten nicht so ausgeprägt.” In der DDR-Oberliga wurde damals ein ganz anderer Basketball gespielt als heute in der Oberliga Sachsen-Anhalts, in der Ian Streißenberger seit dieser Saison für den USC Magdeburg aufläuft. “Von der Liga habe ich einen sehr guten Eindruck”, sagt der 16-Jährige und stellt zufrieden fest: “Ich kann dort auf jeden Fall mithalten.”
Drei Punkte erzielt der Aufbauspieler durchschnittlich pro Partie und erhält regelmäßige Einsatzzeiten. “Wenn ich früher so eine Chance bekommen hätte, hätte ich mir ein Bein ausgefreut”, meint sein Vater, “wie sie mit ihm umgehen und wie sie ihn einsetzen, ist wirklich toll.”
Mit der U18 des USC thront Ian Streißenberger in der Landesliga momentan sogar auf dem ersten Platz, gehört mit seinen knapp 19 Zählern pro Spiel ligaweit zu den besten Punktesammlern. Seine Schnelligkeit und Beinarbeit zeichnen das Magdeburger Talent laut USC-Nachwuchstrainer Stefan Willi Hart aus. Und: “In der Defensive”, wie Hart sagt, “kann er einen unglaublichen Druck ausüben – wie ein Pitbull-Terrier.”
Der Coach sieht viele Parallelen zum Papa: “Ian kommt sehr nach seinem Vater”, meint Stefan Willi Hart, “ab und zu ist er zu temperamentvoll und zu ehrgeizig auf dem Court, aber das ist auf der anderen Seite auch genau das, was seine Mitspieler brauchen: Einen Spieler, der Feuer ins Spiel bringt und immer sein Bestes gibt.”
Einen Wadenbeißer. Einen nervigen Gegenspieler. Einen, der keine Angst hat.
Drohender Hallenverweis
“Ich versuche, meinen eigenen Weg zu gehen”, verrät Ian Streißenberger, der wie sein Vater – der sich zunächst beim Fußball und Handball probierte – nicht den direkten Weg zum Basketball fand. Mehrere Jahre kickte er in den Jugendmannschaften des 1. FC Magdeburgs, wurde vom Verein dann aber “unschön rasiert”, wie es Silvio Streißenberger formuliert. Der neue Trainer schenkte dem Nachwuchsfußballer kein Vertrauen mehr. Der Spaß am Spiel ging verloren. Ian Streißenberger durchlebte schwere Monate. “Da war er eine Zeit lang ein anderer Mensch”, sagt sein Vater.
Die Leidenschaft für den Basketballsport wurde Ian Streißenberger also in die Wiege gelegt. “Als ich mit dem Fußball aufgehört habe, hatte ich keine andere Sportart außer Basketball vor Augen”, sagt er, “Papa hat ja auch schon immer gespielt.”
Früher ohne Idole
Und wie das in der digitalen Medienwelt so ist, sind Vorbilder fernab der Heimat heutzutage schnell gefunden. So prangert NBA-Profi Stephen Curry von den Golden State Warrios auf dem Titelbild von Streißenberger Juniors Facebook-Seite. “Das ist mein absoluter Lieblingsspieler”, erklärt der 16-Jährige, “sein schneller Wurf und seine Trefferquote sind beeindruckend.”
Große Basketball-Idole gab es für Silvio Streißenberger zu Jugendzeiten nicht. Wie auch? “Du hast ja keine Verbindungen nach Amerika gehabt, konntest kaum etwas sehen”, erzählt er. Später, als NBA-Basketball im frei empfangbaren Fernsehen lief und Detlef Schrempf aus Good Old Germany die größtmögliche Basketball-Bühne betrat, schlug sich natürlich auch der heute selbstständige Fliesenleger die Nächte um die Ohren. “Während die anderen morgens dann quer verteilt im Wohnzimmer lagen und noch gepennt haben, durfte ich schön zur Arbeit gehen”, blickt Streißenberger zurück.
Mehr als Eintausend Zuschauer
Auch vom größten Spiel seiner Laufbahn wurde tatsächlich im Fernsehen berichtet. Zwar nicht live, aber immerhin als Nachbericht im MDR. Streißenberger und seine Teamkollegen vom Polizeisportverein Magdeburg zogen sich gerade um, als ein Verantwortlicher vom gastgebenden BV Dessau 93 plötzlich in die Kabine gestürmt kam. “Er hat uns gefragt, ob wir etwas später anfangen können, weil sie mit dem Abkassieren nicht hinterher gekommen sind”, erzählt Silvio Streißenberger.
1200 Zuschauer wollten im Dezember 1995 in der Dessauer Anhalt-Arena sehen, wie sich die Gäste gegen den BV 93, der mit Bryant Feggins kurz zuvor einen US-Amerikaner verpflichtet und damit für ein Novum in der Oberliga gesorgt hatte, schlagen würden. Dessau gewann und blieb in der Liga. Magdeburg verlor und stieg ab. Aber: “Wir haben trotzdem ein geiles Spiel gemacht”, sagt Silvio Streißenberger, der nun schon seit geraumer Zeit für den TSV Niederndodeleben, inzwischen in der Bezirksliga spielt.
Bartwuchs macht den Unterschied
Es gab sie damals und es gibt sie heute, diese Partien, die Spielern und Zuschauern im Gedächtnis bleiben. Für Silvio und Ian Streißenberger, die mindestens zweimal im Jahr bei Freizeitturnieren gemeinsam auf dem Parkett stehen, war das All Star Game so eine Partie. “Am Anfang war ich eher skeptisch und habe mich gefragt, was das mit meiner Wahl überhaupt soll”, gibt der älteste All Star zu, “aber es hat dann wirklich Spaß gemacht. Ich freue mich ja immer, wenn ich mit Ian zusammenspielen kann.”
“Das war schon eine spannende Kombo”, meint auch All Star Coach Tino Stumpf, der als Nachwuchsleiter beim Mitteldeutschen Basketball Club und Trainer des Pro B-Ligisten BSW Sixers arbeitet und sich von den Fähigkeiten des jungen Streißenbergers durchaus angetan zeigte. “Vom Aussehen her haben die Beiden ja nicht viel gemeinsam”, scherzt Stumpf, “das mag aber auch am extremen Bartwuchs des Vaters liegen, den der Ian ja vielleicht auch noch bekommt.”
Zeiten ändern sich, die Menschen und das Spiel. Aber: “Was Ian am Ball kann, das habe ich nie gekonnt und das werde ich auch nicht mehr lernen”, sagt Silvio Streißenberger über seinen Sohn, ehe er mit einem breiten Grinsen im Gesicht meint: “Talent überspringt eben eine Generation.”